Wer eine fehlerfreie Steuererklärung abgegeben und durch einen Fehler des Finanzamts einen Bescheid über die Feststellung eines verbleibenden Verlustvortrags erhalten hat, begeht keine Steuerhinterziehung, wenn er in der Einkommensteuererklärung für ein Folgejahr den festgestellten Verlustvortrag in Anspruch nimmt.
Der Kläger hatte für Veranlagungszeiträume vor den Streitjahren fehlerfrei positive Einkünfte erklärt, die das Finanzamt fehlerhaft als negative Einkünfte erfasst und einen verbleibenden Verlustvortrag festgestellt hatte. In der Einkommensteuererklärung für den Streitzeitraum nahm er den festgestellten Verlustvortrag zunächst in Anspruch, erklärte dann aber unter Abgabe einer strafbefreienden Erklärung im Sinne des StraBEG (Gesetz über die strafbefreiende Erklärung), er habe damit eine Steuerhinterziehung begangen und deshalb für die zu Unrecht nicht besteuerten Einnahmen (nur) eine Abgabe in Höhe von 25 Prozent dieser Einnahmen zu zahlen.
Der BFH hat die Auffassung des Finanzgerichts bestätigt, das mangels Straftat die Voraussetzungen für die Abgabe einer strafbefreienden Erklärung verneint hatte. Die Einkommensteuererklärungen für die Vorjahre hätten zutreffend positive Einkünfte ausgewiesen. Auch die Erklärungen für die Folgejahre seien weder unrichtig noch unvollständig. Denn die Bestandskraft des Verlustfeststellungsbescheids berechtige dazu, den materiell unzutreffend festgestellten Verlustvortrag in Anspruch zu nehmen. Insbesondere sei der Kläger nicht dazu verpflichtet gewesen, das Finanzamt auf die Fehlerhaftigkeit des Bescheids hinzuweisen, da er seine Erklärungspflichten vollständig und richtig erfüllt hatte.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 04.12.2012, VIII R 50/10