Auch Schüler einer Ganztagsschule können einen Anspruch auf eine ergänzende angemessene Lernförderung nach § 28 Sozialgesetzbuch II (SGB II) haben. Voraussetzung ist, dass diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen. Dies hat das Sozialgericht (SG) Speyer im Rahmen eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes entschieden.
Ein Antrag auf angemessene Lernförderung nach § 28 Absatz 5 SGB II könne nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass der Besuch einer Ganztagsschule eine Lernförderung immer ausschließe. Die gesetzlichen Vorgaben stützten diese Ansicht nicht. Zwar sei bei
Ganztagsschulen davon auszugehen, dass gegenüber konventionellen Schulen ein größeres schulisches Förderangebot (zum Beispiel Hausaufgabenbetreuung) bestehe. Jedoch sei für die Gewährung einer ergänzenden angemessenen Lernförderung im Sinne von § 28 Absatz 5 SGB II in jedem Einzelfall eine individuelle Prüfung erforderlich und eine auf das Schuljahresende bezogene prognostische Einschätzung unter Einbeziehung der schulischen Förderangebote zu treffen. Die zwölfjährige Antragstellerin besucht eine Ganztagsschule. Ausweislich des Zeugnisses für das erste Halbjahr 2012 waren die Noten in Deutsch und Mathematik „ausreichend“ und in Englisch „mangelhaft“. Auch in den Fächern Erdkunde, Musik und Wirtschaft und Verwaltung war die Note „mangelhaft“. Die Schule bescheinigte für das zweite Halbjahr 2012 einen außerschulischen Nachhilfebedarf in den Unterrichtsfächern Englisch, Mathematik und Deutsch. Nach den weiteren Angaben der Schule ist die Versetzung gefährdet. Am 22.02.2012 wurde beim zuständigen Jobcenter eine ergänzende angemessene Lernförderung gemäß § 28 SGB II beantragt. Das Jobcenter lehnte dies ab. Eine Lernförderung nach dem Bildungs- und Teilhabepaket komme bei Schülern einer Ganztagsschule nicht in Betracht.
Das SG Speyer hat im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens dargelegt, dass die Begründung des Jobcenters nicht in Einklang mit den rechtlichen Vorgaben steht. Gemäß § 28 Absatz 5 SGB II werde bei Schülern eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen. Diese Regelung berücksichtige nach der Gesetzesbegründung, dass auch außerschulische Lernförderung als Sonderbedarf vom Anspruch auf Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums erfasst sein kann. Die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Lernförderung beziehe sich auf das wesentliche Lernziel, das sich aus den schulrechtlichen Bestimmungen des jeweiligen Landes ergebe.
Im Ergebnis hat das SG Speyer den Eilantrag auf Bewilligung der Lernförderung dennoch abgelehnt. Die individuelle Prüfung des Einzelfalls und die prognostische Einschätzung der Erfolgsaussichten der Lernförderung im vorliegenden Fall ergab nach Einschätzung des Gerichts bei Würdigung des Leistungsstandes der Antragstellerin, dass die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele auch bei Bewilligung der begehrten Lernförderung nicht erreicht werden könnten.
Sozialgericht Speyer, Beschluss vom 27.03.2012, S 6 AS 362/12 ER