Gesetzlich versicherte Schwerhörige haben Anspruch auf eine technisch hochwertige Versorgung mit Hörhilfen, wenn mit sogenannten Vertragsgeräten kein optimaler Ausgleich des Hörverlustes erzielt werden kann. Dies hat das Sozialgericht (SG) Detmold im Fall eines 45-jährigen Versicherten entschieden, bei dem von Kindheit an das rechte Ohr ertaubt ist und auf dem linken Ohr eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit vorliegt.
Der Akustiker ließ den Kläger zwei Geräte testen, die zum Vertragspreis der Krankenkasse angeboten wurden (rund 650 Euro pro Gerät). Mit diesen war jedoch in geräuschintensiver Umgebung keine Verständigung möglich. Die technisch hochwertigen Geräte, ausgestattet mit 16 Kanälen, einer automatischen Spracherkennung und Störlärmmanagement führten zu einem deutlich besseren Ausgleich des Hörverlustes.
Während des laufenden Verfahrens hat sich der Kläger, der trotz geringer Hörreste auf dem rechten Ohr in der Vergangenheit immer nur linksseitig versorgt worden war, von seinem Akustiker ein Hörgerät anpassen lassen, das 1.820 Euro kostete. Die Beklagte war jedoch nur bereit, den Vertragspreis zu zahlen. Sie berief sich darauf, der Gesetzgeber habe für Hörgeräte Festbeträge eingeführt, an denen sich die vertraglichen Regelungen mit den Akustikern zu orientieren hätten. Mehrkosten müssten grundsätzlich von dem Versicherten getragen werden. Dieser Argumentation folgte das SG nicht. Nach sachverständiger Überprüfung durch einen Akustikermeister stand für das Gericht fest, dass der Kläger auf ein hochwertiges Gerät zum Ausgleich des Hörverlustes angewiesen ist. Die individuellen Verhältnisse seien für den Versorgungsanspruch maßgeblich. Dies gelte sowohl bei Festbeträgen als auch bei Anwendung der Versorgungsverträge. Der Versicherte dürfe nicht dadurch schlechter gestellt werden, dass die Krankenkassen mit den Leistungserbringern eine Versorgungspauschale für alle Schwerhörigkeitsgrade vereinbart haben.
Wähle der Akustiker – ob bewusst oder unbewusst – Geräte aus, die zwar ohne Eigenanteil erhältlich, aber für den Versicherten ungeeignet sind, verbleibe es bei der Sachleistungsverantwortung der Krankenkasse. Der Akustiker, der für die Krankenkasse die Versorgung durchführt, sei verpflichtet, ein Hilfsmittel auszuwählen, das den Hörverlust möglichst weitgehend ausgleicht. Er fungiere als Gehilfe der Kasse, die sich das fehlerhafte Verhalten zurechnen lassen muss. Sei die Krankenkasse der Auffassung, der Akustiker hätte eine günstigere Versorgung anbieten müssen, müsse sie sich frühzeitig in die Versorgung einbringen und den Sachverhalt zum Beispiel durch den Medizinischen Dienst prüfen lassen. Argumentiere sie ohne Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse des Versicherten, könne sie allenfalls Rückforderungsansprüche gegenüber dem Vertragsakustiker geltend machen.
Sozialgericht Detmold, Urteil vom 05.10.2011, S 5 KR 97/08
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