Verfügen Eltern über einen Wohnsitz im Inland, haben sie Anspruch auf Kindergeld. Dagegen wird der Nachwuchs nicht berücksichtigt, der weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland oder in einem EU- und EWR-Mitgliedstaat hat. Ob an einem bestimmten Ort ein Wohnsitz besteht oder nicht, ist für jede Person und insbesondere auch im Verhältnis zwischen Eltern und ihren minderjährigen Kindern gesondert zu prüfen, so der Bundesfinanzhof in einem am 06.07.2011 veröffentlichten Urteil (Az. III R 77/09). Ein Kind begründet erst dann einen Wohnsitz, wenn es eine Wohnung innehat, die auf das Beibehalten und Benutzen schließen lassen.
Zwar teilen minderjährige Kinder grundsätzlich den Wohnsitz ihrer Eltern, weil sie über ihre Haushaltszugehörigkeit eine abgeleitete Nutzungsmöglichkeit besitzen und damit zugleich die elterliche Wohnung innehaben. Dies ist jedoch nicht zwingend der Fall, sondern hängt wiederum maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls ab. So führt insbesondere ein mehrjähriger Schulbesuch im Ausland, für den das Kind vor Ort bei Verwandten untergebracht ist, regelmäßig dazu, dass das Kind die elterliche Wohnung im Inland nicht weiterhin innehat. Auch teilen minderjährige Kinder nicht stets – gleichsam automatisch – sämtliche Wohnsitze ihrer Eltern, wenn diese über mehrere verfügen. Daher kann ein im Ausland lebender Angehöriger im Inland grundsätzlich keinen Wohnsitz begründen, ohne sich hier aufgehalten zu haben. Wird ein Kind im Ausland geboren, so billigt die Finanzverwaltung und die Familienkasse dem Kind allerdings unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise einen Wohnsitz im Inland bereits ab seiner Geburt zu, sofern sich die Mutter nur kurzfristig zum Zeitpunkt der Geburt oder lediglich zur Entbindung vorübergehend im Ausland aufgehalten hat und das Kind innerhalb angemessener Zeit nach Deutschland gebracht wird. Unter solchen Umständen kann ein im Ausland geborenes Kind bereits von Geburt an den inländischen Familienwohnsitz teilen. Kann das Kind den Wohnsitz der Eltern im Inland indes aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht aufsuchen, kann es dort zunächst auch keinen eigenen Wohnsitz begründen.
Diese Anknüpfung an den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes halten die Richter für sachgerecht und verfassungsgemäß. Es ist verfassungsrechtlich vertretbar, danach zu unterscheiden, ob ein Kind unbeschränkt oder nur beschränkt steuerpflichtig ist. Danach ist die Entscheidung der Familienkasse im zugrunde liegenden Urteilsfall nicht zu beanstanden, wenn der in der Ukraine geborene Sohn seinen Wohnsitz im Inland nicht bereits mit seiner Geburt, sondern erst mit seiner Einreise nach Deutschland ein Jahr später begründet. Dies erfolgt jedenfalls nicht mehr innerhalb eines als angemessen zu beurteilenden Zeitraums.
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