Anschlussflug verpasst: Erreichung des Endziels mit mindestens drei Stunden Verspätung begründet Ausgleichsanspruch

Nicht nur die Fluggäste annullierter Flüge, sondern auch die verspäteter Flüge haben nach der europäischen Fluggastrechteverordnung einen Ausgleichsanspruch, wenn sie infolge der Verspätung ihr Endziel erst drei Stunden nach der vorgesehenen Ankunftszeit oder noch später erreichen. Der Anspruch besteht auch dann, wenn sich der Abflug des verspäteten Flus selbst um weniger als drei Stunden verzögert hat. Dies stellt der Bundesgerichtshof (BGH) unter Bezugnahme auf mehrere Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) klar.

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus eigenem und abgetretenem

Recht eines Mitreisenden auf eine Ausgleichszahlung in Höhe von je-

weils 600 Euro nach der europäischen Fluggastrechteverordnung in Anspruch. Die Reisenden buchten bei der beklagten Iberia S.A. für den 20.01.2010 eine Flugreise von Berlin-Tegel über Madrid nach San José (Costa Rica). Der Start des von der Beklagten durchgeführten Fluges von Berlin nach Madrid erfolgte mit einer Verspätung von eineinhalb Stunden. Dies führte dazu, dass die Reisenden den Anschlussflug nach San José nicht mehr erreichten. Sie wurden erst am folgenden Tag nach San José befördert.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Auf ihre Revision hat der BGH die Beklagte nunmehr antragsgemäß zur Zahlung verurteilt. Zwar hätten die Vorinstanzen zu Recht angenommen, dass der Beklagten die von der Klägerin geltend gemachte Beförderungsverweigerung nicht zur Last fällt, weil der Einsteigevorgang (Boarding) bereits beendet war, als die Reisenden den Ausgang erreichten. Die Klageforderung sei jedoch unter dem Gesichtspunkt der großen Verspätung begründet.

Wie der EuGH in dem Urteil „Sturgeon“ vom 19.11.2009 auf die Vorlage des BGH entschieden und im Fall „Nelson“ mit Urteil vom 23.10.2012 bestätigt hat, hätten nicht nur die Fluggäste annullierter Flüge, sondern auch die Fluggäste verspäteter Flüge den in der Verordnung vorgesehenen Ausgleichsanspruch, wenn sie infolge der Verspätung ihr Endziel erst drei Stunden nach der vorgesehenen Ankunftszeit oder noch später erreichen. Nach dem EuGH-Urteil vom 23.02.2013 in der Sache „Air France/Folkerts“ setze dieser Anspruch nicht voraus, dass die verspätete Erreichung des Endziels darauf beruht, dass sich der Abflug des verspäteten Flugs um die in Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung genannten Zeiten verzögert hat. Es genüge daher, dass der verspätete Abflug in Berlin dafür ursächlich gewesen sei, dass die Reisenden den Anschlussflug von Madrid nach San José nicht mehr erreichen konnten und infolgedessen ihr Endziel erst mit eintägiger Verspätung erreicht haben.

In einem solchen Fall sei, wie der BGH klarstellt, unerheblich, ob der Anschlussflug selbst verspätet ist oder überhaupt in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt. Die Auffassung des beklagten Luftverkehrsunternehmens, der EuGH habe mit der Anerkennung eines Ausgleichsanspruchs für einen solchen Fall seine Kompetenzen überschritten, teile der BGH nicht.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.05.2013, X ZR 127/11

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