Aufenthaltswechsel wegen Sorgerechtsübertragung: Kind muss vorher angehört werden

Ein Gericht darf das alleinige Sorgerecht für das bisher bei seiner Mutter in Deutschland lebende Kind auf den in Frankreich lebenden Vater nicht übertragen, ohne das Kind zuvor angehört zu haben. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Bezug auf ein achtjähriges Kind klargestellt.

Zwei nicht miteinander verheiratete Eltern stritten um das alleinige Sorgerecht für ihre im Oktober 2002 geborene Tochter. Die Mutter besitzt die deutsche, der Vater die französische Staatsangehörigkeit. Zur

Zeit der Geburt des Kindes lebten die Eltern in Frankreich. Kurz nach der Geburt trennten sie sich. Die Mutter kehrte mit dem Kind nach Deutschland zurück, wo das Kind seither lebt und zur Schule geht. Beide Elternteile übten die elterliche Sorge zunächst einverständlich gemeinsam aus. In der Folge kam es schließlich zum Streit um das Sorgerecht.

Das Amtsgericht hat das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf die Mutter übertragen. Das Oberlandesgericht (OLG) hat nach Austausch des Verfahrenspflegers und ohne Anhörung des Kindes dem Vater das alleinige Sorgerecht übertragen und in seinem – der Mutter am 26.08.2010 zugestellten Beschluss – angeordnet, dass sie das Kind bis zum 29.08.2010 an den in Frankreich lebenden Vater herauszugeben habe. Die von der Mutter hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde hatte Erfolg und führte zur Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung des Verfahrens.

Der BGH hat kritisiert, dass das OLG die vermeintlich bessere Erziehungseignung des Vaters, auf die es seine Entscheidung maßgeblich gestützt hat, nicht nachvollziehbar begründet habe. Rechtsfehlerhaft sei auch, dass das OLG das Kind nicht angehört habe. Die alleinige Zuweisung der elterlichen Sorge an den Vater habe für das Kind erhebliche Auswirkungen, weil sie mit einem Umzug des Kindes nach Frankreich und damit mit einem gravierenden Wechsel seiner bisherigen Lebensumstände einhergehe. Daher sei es unverzichtbar, dass das nach seinem Entwicklungsstand schon verständige Kind durch das erkennende Gericht selbst angehört werde. Hinzu kommt laut BGH, dass alle mit dem Kind in diesem Verfahren befassten Personen, die das Kind selbst angehört haben, also der Amtsrichter, die Verfahrenspfleger und der Sachverständige, übereinstimmend zu dem Ergebnis gelangt sind, dass das Kind bei der Mutter bleiben sollte.

Auf verfahrensrechtliche Bedenken sei es auch gestoßen, dass das OLG die Verfahrenspflegerin, die das Kind seit längerer Zeit auch aus dem Beschulungs- und Umgangsrechtsverfahren kannte und in das umfangreiche Verfahren eingearbeitet war, kurz vor Abschluss des Verfahrens durch einen anderen Verfahrenspfleger ersetzt habe. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.03.2011, XII ZB 407/10