Binnenmarkt: Zweifelsfragen zu innergemeinschaftlichen Lieferungen geklärt

Eine Reihe von Zweifelsfragen bei sogenannten innergemeinschaftlichen Lieferungen an Unternehmer in andere Mitgliedstaaten hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit zwei zeitgleich veröffentlichten Urteilen geklärt. Dabei ging es insbesondere um Fragen zur betrügerischen Ausnutzung der Umsatzsteuerbefreiung von Liefergeschäften innerhalb der Europäischen Union.

Rechtlicher Hintergrund: Die innergemeinschaftliche Lieferung ist ähnlich einer Ausfuhrlieferung umsatzsteuerfrei. Korrespondierend zu dieser Steuerfreiheit ist im Bestimmungsmitgliedstaat ein sogenannter innergemeinschaftlicher Erwerb zu versteuern. Steuerfreiheit und Erwerbsbesteuerung dienen dazu, die Besteuerungskompetenz vom Liefer- auf den Bestimmungsmitgliedstaat zu verlagern. Dieses Besteuerungssystem ist laut BFH betrugsanfällig, da der Warenverkehr mit den Mitgliedstaaten der EU anders als der Warenverkehr mit Drittstaaten keiner zollrechtlichen Grenzkontrolle unterliegt, sondern maßgeblich auf den Angaben des Lieferers zur Identität des Abnehmers beruht.

Im Verfahren V R 30/10 ging es um Mobiltelefone, die Gegenstand eines inländischen „Umsatzsteuer-Karussells“ waren und vom inländischen Unternehmer in andere Mitgliedstaaten der EU geliefert wurden. Das Finanzgericht (FG) versagte die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung allein mit der Begründung, es liege ein „Karussellgeschäft“ vor. Dem trat der BFH entgegen. Würden in einer Kette von Umsatzgeschäften tatsächlich Lieferungen ausgeführt, könne diesen im Regelfall erst aufgrund einer Täuschung über die Identität des Abnehmers die Steuerfreiheit versagt werden. Der BFH hob das Urteil des FG dementsprechend auf und verwies die Sache zu weiterer Sachaufklärung zurück.

Das Urteil V R 28/10 betrifft die bei innergemeinschaftlichen Lieferungen zu beachtenden Nachweispflichten. Der Unternehmer, der die Steuerfreiheit für derartige Lieferungen in Anspruch nimmt, hat die Voraussetzungen der Steuerfreiheit laut BFH durch Belege und Aufzeichnungen nachzuweisen. Bei einer Versendung durch einen vom Lieferer oder Abnehmer beauftragten Spediteur könne der Nachweis auch durch einen sogenannten CMR-Frachtbrief geführt werden. Entgegen der Verwaltungsauffassung gelte dies auch dann, wenn der CMR-Frachtbrief nicht vom Auftraggeber unterschrieben ist. Der BFH stützt dies auf einen Vergleich mit anderen Versendungsbelegen. In der Sache hob er auch hier das Urteil der Vorinstanz auf und wies die Sache zur weiteren Aufklärung zurück, da Unklarheiten hinsichtlich anderer Belegangaben bestanden.

BFH, Urteile vom 17.02.2011, V R 28/10 und V R 30/10

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