Brennelementesteuer: Verfassungswidrig?

Die auch als Brennelementesteuer bekannte Kernbrennstoffsteuer ist möglicherweise verfassungswidrig. Das Finanzgericht (FG) Hamburg jedenfalls hat erhebliche Zweifel daran, dass das zum 01.01.2011 in Kraft getretene Kernstoffsteuergesetz mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Dem gegen die Steuer gerichteten Eilantrag eines Kernkraftwerkbetreibers gab das Gericht statt. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat es die Beschwerde an den Bundesfinanzhof zugelassen. Das FG äußert in seinem Beschluss ernstliche Zweifel an der formellen Verfassungsmäßigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes, weil dem Bund keine Gesetzgebungskompetenz zum Erlass des Gesetzes zustehe. Bei der Kernbrennstoffsteuer dürfte es sich nach Ansicht der Richter nämlich um keine in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes fallende Verbrauchsteuer handeln.

Bei Verbrauchsteuern handele es sich typischerweise um Warensteuern, die den baldigen Verzehr oder den kurzfristigen Verbrauch bestimmter Güter des ständigen Bedarfs belasteten. Als Besteuerung des Verbrauchs knüpften sie an das Verbringen des Gutes in den allgemeinen Wirtschaftsverkehr an. Sie würden in der Regel bei demjenigen Unternehmer erhoben, der das Gut am Markt anbiete, seien aber auf Überwälzung auf den Verbraucher angelegt. Kernbrennstoffe seien aber kein Konsumgut. Sie würden ausschließlich zur gewerblichen Erzeugung von elektrischem Strom verwendet, ohne dabei in den allgemeinen Wirtschaftsverkehr zu gelangen. Dass den Stromerzeugern eine Überwälzung der durch die Kernbrennstoffsteuer entstehenden zusätzlichen Kosten möglich sein werde, erwarte ausweislich der Gesetzesbegründung selbst der Gesetzgeber nicht.

Auch sei es ernstlich zweifelhaft, ob der Bundesgesetzgeber eine ganz neue Steuer, die im Grundgesetz nicht vorgesehen sei, erfinden dürfe. Das FG sieht die Gefahr, dass damit die von der Finanzverfassung sorgsam ausbalancierte Verteilung der Steuereinnahmen zwischen Bund und Ländern umgangen werden könnte.

Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 16.09.2011, Az. 4 V 133/11

Das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg in Potsdam hat auf mündliche Verhandlung in einem Urteil vom 17.08.2011 (Az. L 7 KA 77/08 KL) die Mindestmenge von 50 für Kniegelenk-Totalendoprothesen („künstliches Kniegelenk“) für unwirksam erklärt.

Mindestmengen für stationäre Krankenhausleistungen dienen nach der gesetzgeberischen Intention der Qualitätssicherung („Übung macht den Meister“). Es gibt sie z.B. im Bereich der Leber- und Nierentransplantation, aber auch der Knieprothetik. Wird ein Krankenhaus die auf ein Jahr bezogene Mindestmenge voraussichtlich nicht erreichen, darf es die Leistung nicht erbringen.

Mit Wirkung vom 01.01.2006 hat der Gemeinsame Bundesausschuss

(GBA) eine Mindestmenge von 50 pro Krankenhaus und pro Jahr für Kniegelenk-Totalendoprothesen eingeführt. Hiergegen hat eine Brandenburger Klinik im September 2008 mit der Begründung Klage erhoben, sie sei in der Lage, die Leistung durch qualifizierte Spezialisten zu erbringen und dürfe durch die Mindestmengenregelung nicht daran gehindert werden, diesen Eingriff anzubieten.

Das LSG gab der Klage mit folgender Begründung statt: Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Einführung einer Mindestmenge in Bezug auf Knieprothesen lägen nicht vor. Bedenken bestünden schon gegenüber dem konkreten Verfahrensablauf, denn der GBA habe zwar Ende 2004 das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) mit einem Gutachten über einen Schwellenwert bei Mindestmengen für Kniegelenk-Totalendoprothesen beauftragt, die Mindestmenge dann aber im August 2005 schon verbindlich festgelegt, bevor das in besonderem Maße zu beachtende IQWiG-Gutachten vorlag (Dezember 2005). Vor allem sei aber die vom Gesetz ausdrücklich geforderte „besondere“ Abhängigkeit der Leistungsqualität von der Leistungsmenge nicht hinreichend belegt. Der primäre Indikator „postoperative Beweglichkeit“ sei untauglich, weil das vorliegende statistische Material hier sogar darauf hindeute, dass – ab einer bestimmten Schwelle – das Behandlungsergebnis umso schlechter werde, je mehr Eingriffe pro Jahr erbracht würden. In Bezug auf den sekundären Indikator „Wundinfektion“ sei zwar feststellbar, dass das Risiko mit steigender Behandlungszahl falle, doch bestehe hier nur eine gewisse statistische Beziehung; die messbare Risikoreduktion sei so gering, dass von keinem besonderen Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Qualität die Rede sein könne.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der 7. Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen.