Ein „Vier-Augen-Prinzip“, nach dem eine Geschwindigkeitsmessung mit einem Lasermessgerät nur dann zur Grundlage einer Verurteilung in einer Bußgeldsache gemacht werden darf, wenn der vom Gerät angezeigte Messwert und seine Übertragung in das Messprotokoll von einem zweiten Polizeibeamten kontrolliert worden ist, gibt es nicht. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm entschieden und damit eine Entscheidung der Vorinstanz bestätigt.
Das Amtsgericht (AG) hatte den Betroffenen wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt. Den Verstoß hatte es auf der Grundlage der Zeugenaussage eines Polizeibeamten festgestellt, der das Ergebnis der mit einem Lasermessgerät durchgeführten Geschwindigkeitsmessung allein vom Anzeigefeld des Messgerätes abgelesen und in das schriftliche Messprotokoll eingetragen hatte. Eine Kontrolle der Richtigkeit des abgelesenen und eingetragenen Wertes durch einen anderen Polizeibeamten erfolgte nicht. Hiergegen wandte sich der Betroffene. Er rügte, dass das ihm vorgehaltene Messergebnis wegen der Verletzung eines „Vier-Augen-Prinzips“ nicht gegen ihn verwertbar sei.
Das OLG Hamm hat die Entscheidung des AG bestätigt. Das vom
Betroffenen angeführte „Vier-Augen-Prinzip“ gebe es nicht. Auch bei Lasermessgeräten, die ein Messergebnis nicht fotografisch-schriftlich dokumentierten, sei der vom Gerät angezeigte Messwert und dessen Zuordnung zu einem bestimmten Fahrzeug im Einzelfall nach den
Grundsätzen der freien Beweiswürdigung zu beurteilen und könne zum Beispiel durch Zeugenaussage eines beteiligten Polizeibeamten geklärt werden. Es existiere kein Beweisverbot, das die Verwertung eines allein von einem – und ohne Kontrolle durch einen weiteren – Polizeibeamten festgestellten Messwertes untersage. Wegen des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung gebe es auch keine Beweisregel, die ein solches „Vier-Augen-Prinzip“ als Voraussetzung für gerichtliche Feststellungen vorschreibe.
Oberlandesgericht Hamm, Entscheidung vom 21.06.2012, III–3 RBs
35/12
Wird ein Autofahrer schuldlos in einen Unfall verwickelt und dabei die Stoßstange seines Pkw beschädigt, so hat er das Recht, sich die Schadenhöhe von einem Gutachter ermitteln zu lassen. Die gegnerische Kfz-Haftpflichtversicherung darf die Zahlung nicht auf den Bereich „Stoßstange“ reduzieren.
Will der Autofahrer durch Einschaltung des Sachverständigen auch ausschließen, dass andere Teile am Auto beschädigt oder verzogen sind, so sei auch dieser Teil der Prüfung zu bezahlen, sagt das Amtsgericht Wolfsburg (Az. 12 C 102/11)
Auch einem Fahrradfahrer, der keine Fahrerlaubnis für Fahrzeuge besitzt, ist die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens aufzugeben, nachdem er mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr mit dem Fahrrad im Straßenverkehr aufgefallen ist. Legt er ein solches Gutachten nicht vor, darf ihm das Führen jedes Fahrzeuges, also auch eines Fahrrads, verboten werden. Dies hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz entschieden. Es änderte damit seine bisherige Rechtsprechung.
Der Kläger, der nicht mehr Inhaber einer Fahrerlaubnis ist, fuhr mit einem Fahrrad Schlangenlinien und nahm dabei die gesamte Straßenbreite ein. Er roch stark nach Alkohol und war nicht in der Lage, sicher vom Fahrrad abzusteigen. Die daraufhin entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 2,44 Promille. Die beklagte Straßenverkehrsbehörde forderte ihn auf, ein medizinisch-psychologisches Gutachten zu seiner Fahreignung vorzulegen. Da er dieser Aufforderung nicht nachkam, untersagte die Beklagte ihm das Führen von Fahrzeugen. Die hiergegen erhobene Klage hatte weder in erster noch in zweiter Instanz Erfolg.
Beim Kläger, der mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,44 Promille im öffentlichen Verkehrsraum Fahrrad gefahren sei, bestehe ausreichend Grund zur Annahme, dass er auch zum Führer eines fahrerlaubnisfreien Fahrzeugs ungeeignet oder nur bedingt geeignet sei, so das
OVG. Denn der Genuss von Alkohol in höherer Dosierung führe zu einer Herabsetzung der Reaktions- und Kritikfähigkeit sowie zu Veränderungen der Stimmungslage. Häufiger Alkoholmissbrauch führe darüber hinaus zur Gewöhnung an die Giftwirkung und damit zur Unfähigkeit einer realistischen Einschätzung der eigenen Alkoholisierung. Deshalb sehe die Fahrerlaubnisverordnung die Anforderung eines Gutachtens über die Fahreignung vor, wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille und mehr geführt worden sei.
Das Anfordern eines Gutachtens bei einer solch hohen Blutalkoholkonzentration sei zur Klärung der Fahreignung auch gegenüber dem Kläger als Fahrradfahrer nicht unverhältnismäßig. Denn trotz der Unterschiede zur Nutzung von Kraftfahrzeugen bestehe auch beim
Führen von Mofas und Fahrrädern infolge der Wirkung erheblicher Alkoholmengen ein erhöhtes Verkehrsrisiko, wenn zum Beispiel motorisierte Verkehrsteilnehmer wegen des unkontrollierten Verhaltens eines alkoholisierten Radfahrers unvorhersehbar ausweichen müssten und mit anderen Fahrzeugen kollidierten. Dies gelte umso mehr, als bei Trunkenheitsradfahrern wegen des nicht ausreichend vorhandenen Problembewusstseins die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Trunkenheitsfahrten mit dem Fahrrad höher sein dürfte als mit dem Kraftfahrzeug. Habe der Kläger das demnach von ihm zu Recht geforderte Gutachten nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist beigebracht, habe die Beklagte auf dessen Ungeeignetheit schließen und ihm das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge verbieten dürfen.
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17.08.2012, 10 A
10284/12.OVG
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