Eine Abzweigung des Kindergeldes an die Stadt kommt nicht in Betracht, wenn die Eltern Aufwendungen für ihren Nachwuchs tragen, die mindestens so hoch sind wie das Kindergeld. Dabei sind nicht nur solche Aufwendungen zu berücksichtigen, die den behinderungsbedingten Mehrbedarf oder das sozialhilferechtliche Existenzminimum decken, sondern beispielsweise auch in größerem zeitlichen Abstand regelmäßig wiederkehrende Aufwendungen für Einrichtungsgegenstände, Hausrat oder eine behindertengerechte Umrüstung eines Pkw. Dies hat das Finanzgericht Münster in einem am 16.05.2011 veröffentlichten Urteil klargestellt (Az. 12 K 2057/10 Kg).
Nachdem das Gericht zu dieser Thematik bereits mit dem am 29.04.2011 veröffentlichten Urteil Regeln vorgegeben hatte, stellt es nunmehr weitere Grundsätze auf, wann Kommunen, die Sozialleistungen an behinderte Kinder erbringen, berechtigt sind, im Wege der Abzweigung anstelle der Eltern die Zahlung des Kindergeldes an sich selbst zu verlangen. Bei der Berechnung, ob und in welcher Höhe den Eltern das Kindergeld zu belassen ist, sofern sie selbst für ihr behindertes Kind Aufwendungen erbringen, sind auch die eigenen Betreuungsleistungen von Vater und Mutter für den Nachwuchs einzubeziehen. Dies setzt aber voraus, dass die Notwendigkeit der Betreuung und deren tatsächliche Durchführung nicht nur pauschal behauptet, sondern konkret dargelegt und glaubhaft gemacht werden, betonten die Richter.
Im zugrunde liegenden Urteilsfall bezog eine Mutter für ihren volljährigen schwerbehinderten Sohn, der in ihrem Haushalt lebt, Kindergeld. Die Kommune zahlte an den Sohn fortlaufend Grundsicherungsleistungen. Aus diesem Grunde beanspruchte sie die Zahlung des Kindergeldes an sich im Wege der sogenannten Abzweigung. Die Mutter hielt dem entgegen, dass sie selbst erhebliche Aufwendungen für ihren Sohn trage. Aufgrund der schweren Herzerkrankung des Sohnes seien hierbei neben den Kosten für eine Fremdbetreuung auch ihre eigenen Betreuungsleistungen zu berücksichtigen.
Das Finanzgericht Münster gab der Mutter Recht und wies die Klage der Kommune auf Abzweigung des Kindergeldes ab. Sofern der gesamte Lebensbedarf des schwerbehinderten Sohnes nicht allein aus dessen eigenem Einkommen erbracht werden kann, ist davon auszugehen, dass die Lücke – im Urteilsfall monatlich 191 Euro – aus dem Einkommen der Mutter gedeckt wird. Zum Lebensbedarf des Sohnes gehören neben den nachgewiesenen Kosten für die Fremdbetreuung auch die eigenen Betreuungsleistungen der Mutter. Dies gilt, weil die Mutter sowohl die Notwendigkeit der Betreuung als auch deren Durchführung nach Art und zeitlichem Umfang konkret dargelegt und durch ärztliche Bescheinigungen hinreichend glaubhaft gemacht hatte. Maßstab für die Bewertung des eigenen Betreuungsaufwandes sind dabei die vergleichbaren Kosten für eine Fremdbetreuung, die das Gericht im Streitfall mit 8 Euro je Stunde angesetzt hatte.
Rein pauschal geltend gemachte eigene Betreuungskosten der Eltern sind dagegen – so die Richter – bei der Ermittlung des Lebensbedarfes des Kindes nicht zu berücksichtigen.
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