Steht bei einer Kollision die Betriebsgefahr des unfallverursachenden Pkw dem fahrlässigen Verschulden eines erst zwölf Jahre alten Radfahrers gegenüber, muss der Fahrzeughalter in der Regel zur Hälfte für den Schaden aufkommen.
Ein zwölf Jahre alter Junge war mit seinem Fahrrad von einem Feldweg auf eine Landstraße eingebogen. Dort war er von einem Pkw erfasst und über die Motorhaube nach hinten geschleudert worden. Der Junge erlitt dabei schwerste Verletzungen. Er verlangt die hälftige Erstattung seines durch den Unfall entstandenen und künftig noch entstehenden materiellen und immateriellen Schadens.
Das Oberlandesgericht Saarbrücken gab dem Jungen Recht, auch wenn der Junge den Pkw eigentlich hätte sehen müssen. Da nicht nachgewiesen wurde, dass der Junge ohne Anhalten blindlings in die Landstraße eingefahren ist, ist nicht von einem grob fahrlässigen Verhalten auszugehen. Der Junge hat die Verkehrslage wohl beobachtet, war aber dabei entweder nicht umsichtig genug oder hat Abstand und Geschwindigkeit des Pkw falsch eingeschätzt. Die fehlerhafte Einschätzung der Verkehrslage ist typisch für die sich noch entwickelnde eingeschränkte jugendliche Wahrnehmungsfähigkeit. Daher ist hier nur von einem einfach fahrlässigen Verkehrsverstoß des Jungen auszugehen. Diesem steht die Betriebsgefahr des Pkw gegenüber. Ein Verkehrsverstoß des Pkw-Fahrers konnte nicht festgestellt werden. Aufgrund der Betriebsgefahr haftet der Fahrzeughalter aber auch, wenn ihn kein Verschulden trifft, wenn allein durch den Betrieb des Fahrzeugs ein Mensch verletzt wurde. Ausnahmen hiervon soll es nach dem Willen des Gesetzgebers nur noch in ganz wenigen Fällen geben, beispielsweise wenn ein gravierendes Mitverschulden des Unfallgegners gegeben ist. Das ist hier nicht der Fall.
OLG Saarbrücken, Urteil vom 24.4.2012, 4 U 131/11–40
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