Reverse-Charge-Verfahren: Vertrauensschutz für Bauleistende

Bei fehlender Umkehr der Umsatzsteuerschuldnerschaft (ReverseCharge-Verfahren) können einer Inanspruchnahme des Bauleistenden Vertrauensschutzgesichtspunkte entgegen stehen. Dies hat das Finanzgericht (FG) Münster in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entschieden.

Die Antragstellerin erbrachte Bauleistungen gegenüber einem Bauträger, der eigene Grundstücke zum Zweck des Verkaufs bebaute. In ihrer Umsatzsteuerfestsetzung für das Streitjahr 2011 gab die Antragstellerin an, umsatzsteuerpflichtige Bauleistungen entsprechend der damaligen Verwaltungsauffassung erbracht zu haben, für die der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer schulde. Im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung im Jahr 2015 vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass die frühere Erlasslage aufgrund der zwischenzeitlich geänderten BFH-Rechtsprechung (Urteil vom 22.8.2013, V R 37/10) nicht mehr maßgeblich sei. Gegen den entsprechend geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2011 berief sich die Antragstellerin auf Vertrauensschutz.

Das FG Münster äußerte im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Änderungsbescheids. Nach der einschlägigen abgabenrechtlichen Vertrauensschutzvorschrift (§ 176 Absatz 2 Abgabenordnung – AO) dürfe bei der Änderung eines Steuerbescheids nicht zuungunsten der Antragstellerin berücksichtigt werden, dass der Umsatzsteuer-Anwendungserlass vom BFH als nicht mit dem geltenden Recht in Einklang stehend angesehen werde. Auch die umsatzsteuerliche Übergangsvorschrift, die die Anwendung des § 176 AO in derartigen Fällen ihrem Wortlaut nach ausschließt (§ 27 Absatz 19 Satz 2 Umsatzsteuergesetz), ermöglicht nach Auffassung des FG

Münster nicht zwingend eine Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung. Es bestünden Zweifel, ob die Übergangsvorschrift eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung entfalte, weil sie nachträglich in eine bestehende Umsatzsteuerschuld eingreife. Möglicherweise sei die Übergangsregelung außerdem mit den europarechtlichen Vorgaben der Klarheit und Voraussehbarkeit von Rechtsvorschriften unvereinbar. Finanzgericht Münster, Beschluss vom 12.08.2015, 15 V 2153/15 U

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