Scheinbewerbung: Dennoch Diskriminierungsschutz?

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) soll klären, ob das EU-Recht dahingehend auszulegen ist, dass auch derjenige „Zugang zur Beschäftigung oder zur abhängigen Erwerbstätigkeit“ sucht, aus dessen Bewerbung hervorgeht, dass nicht eine Einstellung und Beschäftigung, sondern nur der Status als Bewerber erreicht werden soll, um Entschädigungsansprüche geltend machen zu können. Hierum bittet das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem Vorabentscheidungsersuchen. Der Kläger hat 2001 die Ausbildung zum Volljuristen abgeschlossen und ist seither überwiegend als selbstständiger Rechtsanwalt tätig. Die Beklagte, die zu einem großen Versicherungskonzern gehört, schrieb ein

„Trainee-Programm 2009“ aus. Dabei stellte sie als Anforderung einen nicht länger als ein Jahr zurückliegenden oder demnächst erfolgenden sehr guten Hochschulabschluss und qualifizierte berufsorientierte Praxiserfahrung durch Ausbildung, Praktika oder Werkstudententätigkeit. Bei der Fachrichtung Jura wurden zusätzlich eine arbeitsrechtliche Ausrichtung oder medizinische Kenntnisse erwünscht. Der Kläger bewarb sich hierfür. Er betonte im Bewerbungsschreiben, dass er als früherer leitender Angestellter einer Rechtsschutzversicherung über Führungserfahrung verfüge. Derzeit besuche er einen Fachanwaltskurs für Arbeitsrecht. Weiter führte er aus, wegen des Todes seines Vaters ein umfangreiches medizinrechtliches Mandat zu betreuen und daher im Medizinrecht über einen erweiterten Erfahrungshorizont zu verfügen. Als ehemaliger leitender Angestellter und Rechtsanwalt sei er es gewohnt, Verantwortung zu übernehmen und selbstständig zu arbeiten. Nach der Ablehnung seiner Bewerbung verlangte der Kläger eine Entschädigung von 14.000 Euro. Die nachfolgende Einladung zum Gespräch mit dem Personalleiter der Beklagten lehnte er ab und schlug vor, nach Erfüllung seines Entschädigungsanspruchs sehr rasch über seine Zukunft bei der Beklagten zu sprechen.

Aufgrund der Bewerbungsformulierung und des weiteren Verhaltens geht das BAG davon aus, dass sich der Kläger nicht mit dem Ziel einer Einstellung beworben hat. Das Bewerbungsschreiben stehe einer Einstellung als „Trainee“ entgegen. Die Einladung zu einem Personalgespräch habe der Kläger ausgeschlagen. Damit sei er nach nationalem Recht nicht „Bewerber“ und „Beschäftigter“. Das EU-Recht nenne jedoch in den einschlägigen Richtlinien nicht den „Bewerber“, sondern schütze den „Zugang zur Beschäftigung oder zu abhängiger und selbstständiger Erwerbstätigkeit“. Nicht geklärt sei, ob das EU-Recht ebenfalls voraussetzt, dass wirklich der Zugang zur Beschäftigung gesucht und eine Einstellung bei dem Arbeitgeber tatsächlich gewollt ist. Dies möge der EuGH jetzt klären.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 18.06.2015, 8 AZR 848/13 (A)

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