Vorfahrtsverstoß führt trotz missverständlichen Verhaltens des Vorfahrtberechtigten zu überwiegender Haftung des die Vorfahrt Nehmenden

Ein Verkehrsteilnehmer, der einem anderen die Vorfahrt nimmt, haftet auch dann überwiegend für einen dadurch verursachten Unfall, wenn dem anderen Verkehrsteilnehmer ein missverständliches Verhalten vorzuwerfen ist. Dies zeigt ein vom Oberlandesgericht (OLG) Dresden entschiedener Fall, bei dem ein grundsätzlich wartepflichtiger Verkehrsteilnehmer auf das Blinklicht des Vorfahrtberechtigten vertraut hatte und auf die Vorfahrtstraße eingebogen war. Beim Einbiegen in die vorfahrtberechtigte Straße war es zum Zusammenstoß mit dem blinkenden Fahrzeug gekommen.

Das OLG gelangte nach Abwägung der wechselseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge zu dem Ergebnis, dass derjenige, dem ein Vorfahrtsverstoß zur Last fällt, gegenüber dem demjenigen, dem ein missverständliches Verhalten vorzuwerfen ist, die Hauptverantwortung an dem Unfall trägt, die hier zu einer Haftungsquote von 70 zu 30 führt.

In Übereinstimmung mit der überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung geht auch das OLG Dresden davon aus, dass der Wartepflichtige nur dann auf ein Abbiegen des Vorfahrtberechtigten vertrauen darf, wenn über das bloße Betätigen des Blinkers hinaus in Würdigung der Gesamtumstände, sei es durch eine eindeutige Herabsetzung der Geschwindigkeit oder aber dem Beginn des Abbiegemanövers, eine zusätzliche Vertrauensgrundlage geschaffen worden ist, die es im Einzelfall rechtfertigt, davon auszugehen, das Vorrecht werde nicht mehr ausgeübt. Neben dem Blinken sei zumindest ein weiteres deutliches Anzeichen erforderlich, um darauf zu vertrauen, dass der Vorfahrtberechtigte tatsächlich vor dem Wartepflichtigen abbiegt, mithin kein Vorfahrtrecht mehr zu beachten ist.

Im vorliegend zu entscheidenden Fall konnte das OLG im Ergebnis der Beweisaufnahme die Überzeugung davon, dass neben dem irreführenden Blinken ein weiterer Umstand, insbesondere eine deutliche Reduzierung der Geschwindigkeit, dem Wartepflichtigen den Verzicht auf das Vorfahrtsrecht signalisiert hat, gewinnen. Dies führte zu der ausgewiesenen Haftungsquote.

Oberlandesgericht Dresden, Urteil vom 20.08.2014, 7 U 1876/1

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