Will das Finanzamt einen Vorsteuerabzug wegen betrügerischen Handelns versagen, so trägt es – abweichend vom allgemeinen Grundsatz – die objektive Feststellungslast für die die Versagung begründenden Umstände. Dies hat das Finanzgericht (FG) Münster in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes klargestellt.
Das Finanzamt müsse konkrete Anhaltspunkte darlegen, aus denen sich ergebe, dass der Unternehmer von seiner Einbeziehung in einen Umsatzsteuerbetrug gewusst habe beziehungsweise hätte wissen können oder müssen. Entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes sei der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer nicht verpflichtet, einen echten „Negativbeweis“ dahin zu führen, dass er keine Anhaltspunkte für etwaige Ungereimtheiten in Bezug auf den Leistenden und/oder die Leistung hatte. Dies gelte auch in Bezug auf einen vermeintlichen Scheinsitz des Lieferers.
Im Streitfall hatte die Antragstellerin von einer GmbH, die sowohl eine Steuernummer als auch eine Umsatzsteueridentifikationsnummer besaß, aus Polen stammende Pkw erworben. Die in den Rechnungen der GmbH ausgewiesene Umsatzsteuer machte die Antragstellerin als Vorsteuer geltend. Das Finanzamt versagte den Abzug, weil es sich bei der GmbH um kein tatsächlich existierendes Unternehmen, sondern um eine „Briefkastenfirma“ handele. Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des streitigen Umsatzsteuerbescheides lehnte es ab. Das FG Münster hat nunmehr die Vollziehung des streitigen Bescheides wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Versagung des Vorsteuerabzuges ausgesetzt.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, so das FG, sei zwar anerkannt, dass ein Vorsteuerabzug zu versagen sei, wenn aufgrund der objektiven Sachlage feststehe, dass dieses Recht in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend gemacht werde. Dies sei der Fall, wenn der Steuerpflichtige selbst eine Steuerhinterziehung begehe oder wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteilige, der in eine vom Lieferer begangene Steuerhinterziehung einbezogen worden sei. Ausgeschlossen sei jedoch, einen Steuerpflichtigen, der weder wusste noch habe wissen können, dass der Lieferung betrügerische Handlungen vorausgegangen seien, durch die Versagung des Vorsteuerabzuges mit einer Sanktion zu belegen. Hieraus folge, dass der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer keinen echten „Negativbeweis“ zu fehlenden Anhaltspunkten für etwaige Ungereimtheiten in Bezug auf den Leistenden beziehungsweise die Leistung führen müsse. Vielmehr trage dann das Finanzamt und nicht der Steuerpflichtige die objektive Darlegungslast für die eine Versagung des Vorsteuerabzuges rechtfertigenden Umstände. Für die Antragstellerin hätten sich hier hinsichtlich der GmbH keine hinreichenden Anhaltspunkte für das Bestehen von Unregelmäßigkeiten oder eine Steuerhinterziehung ergeben, aufgrund derer sie verpflichtet gewesen wäre, weitere Auskünfte einzuholen. Eine Erkundigungspflicht insbesondere hinsichtlich des Sitzes der GmbH hätte die Antragstellerin nur dann getroffen, wenn sich für sie im Vorfeld der Lieferung Zweifel hieran hätten ergeben müssen. Dies sei jedoch – nach der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung– nicht der Fall gewesen, so das FG.
Das Gericht hat – zur Fortbildung des Rechts – die Beschwerde zum Bundesfinanzhof zugelassen.
Finanzgericht Münster, Beschluss vom 12.12.2013, 5 V 1934/13 U
ConTax Muschlin & Partner
Ihr Steuerberater in Rostock